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Weihnachtsgrüße 2025

Ein Dankeschön zum Jahresende sowie ein weihnachtlicher Impuls

Ein ereignisreiches Jahr 2025 neigt sich seinem Ende zu. Deshalb möchte sich das Team des Recollectio-Hauses bei allen Mitarbeitenden der Abtei Münsterschwarzach für jegliche Hilfe und Unterstützung in diesem Jahr bedanken.  

Wir danken allen Verantwortlichen der Abtei Münsterschwarzach sowie allen Trägerdiözesen für ihre Unterstützung und ihr Vertrauen in unsere Arbeit.

Wir wünschen Ihnen allen frohe und gesegnete Weihnachten und für das Jahr 2026 Gesundheit, Zuversicht und Gottes Segen.

Ihr Recollectio-Team!

Weihnachtswünsche 2025

Liebe Leser und Leserinnen!

Für viele ist Weihnachten vor allem ein Familienfest, das man gerne miteinander feiert. Andere fühlen sich berührt vom Weihnachtsduft oder von den schönen Weihnachtsliedern. Es ist ein romantisches Fest, auf das man sich freut. Doch für die Mystiker des Mittelalters ist Weihnachten vor allem ein mystisches Fest. Meister Eckehart (1260-1328) oder Johannes Tauler (1301-1361) sprechen von der Gottesgeburt im Menschen. Tauler hat an Weihnachten eine Predigt gehalten, in der er von den drei Geburten spricht: von der Geburt des Sohnes aus dem Vater, der Geburt Jesu aus Maria und der Geburt Gottes in uns.

Wie die Geburt Gottes in uns geschehen kann, das erkennen wir er an der Geburt Jesu aus Maria. Maria war in sich gekehrt, als der Engel bei ihr eintrat. So sollen wir in uns gekehrt sein, wir sollen selbst bei uns einkehren, damit Gott in uns einkehren kann. Gott – so meint Tauler – will in unserem Seelengrund geboren werden. Gott selbst hat in jedem Menschen diesen edlen Grund gelegt. Aber viele sind davon abgeschnitten. Sie haben ihn zugeschüttet mit ihren alltäglichen Sorgen oder mit den vielen Informationen, die täglich auf sie einstürmen. Wir sollen uns von allem Äußeren freimachen, damit Gott in uns geboren werden kann. Doch das erscheint uns als unmöglich.

Tauler spricht hier nicht von unserer Leistung. Gott selber bereitet sich in uns diesen Grund vor, damit er darin geboren werden kann. Unsere Aufgabe ist es, alles, was in uns auftaucht, unseren Ärger, unsere Ohnmacht, unsere Angst, die Bedrohungen von außen, in aller Demut Gott zu übergeben. Keiner von uns ist immer frei von den vielen Gedanken und Emotionen, die auf uns einstürmen. Unsere Aufgabe ist es, alles, was in uns auftaucht, Gott hinzuhalten und ihm zu übergeben. Dann wird unser Seelengrund leer und Gott kann darin geboren werden. Wenn Gott in den Menschen geboren wird, kann – so sagt Tauler – „kann die ganze Welt ihren Frieden nicht nehmen; hätten alle Teufel und alle Menschen es geschworen, sie könnten ihnen ihren Frieden nicht nehmen.“

Die Aussagen des deutschen Mystikers, der vor siebenhundert Jahren gelebt hat, scheinen uns allzu weit von unserer heutigen Wirklichkeit entfernt zu sein. Doch als ich für Führungskräfte aus dem Arbeitsministerium in Berlin einen Führungskurs hielt, sprach ich zu ihnen von dem heiligen Raum, der in jedem von uns ist. Dieser heilige Raum ist der Seelengrund, von dem Tauler spricht. In diesem heiligen Raum sind wir frei von den Erwartungen und Bewertungen der Menschen, dort sind wir heil und ganz, ganz wir selber, ohne Druck, uns darstellen, rechtfertigen, beweisen zu müssen. Dort sind wir ohne Schuld und ohne Schuldgefühle. Und dort sind wir eins mit uns, mit Gott, der alles in uns durchdringt und das Getrennte miteinander verbindet, verbunden mit der Natur und mit allen Menschen. Und viele dieser Führungskräfte, die keinen spirituellen Hintergrund haben, sagten am Ende des Kurses, sie hätte dieses Bild des heiligen Raumes am meisten berührt.

Es ist also eine Sehnsucht in jedem Menschen nach diesem heiligen Raum und – so können wir sagen – nach dem Seelengrund, in dem Gott in uns geboren wird. Die Gottesgeburt ist also nicht nur ein Bild, von dem die Mystiker gerne sprechen, sie kann uns auch heute berühren, wenn wir sie richtig verstehen. Aber wie können wir sie verstehen? Gott selbst – so sagt Tauler – will uns den Seelengrund bereiten, in dem sein Sohn in uns geboren werden will. Unsere Aufgabe besteht darin, still zu werden. Aber diese Stille ist keine Konzentrationsleistung. Vielmehr entsteht in uns die Stille, wenn wir alles, was in uns immer wieder an Gedanken und Gefühlen hochkommt, Gott hinhalten und Gott übergeben, damit Gott den „edlen Grund“ für seine Geburt in uns bereiten kann.

Wenn Gott in uns geboren wird, fühlen wir eine große innere Freiheit. Tauler meint, wir seien dann „in göttlicher Freiheit“. Und wir empfinden in uns einen tiefen Frieden. Wir feiern Weihnachten als Fest des Friedens. Die Engel, die den Hirten erschienen sind, haben diesen Frieden auf Erden besungen. Wir alle sehnen uns an Weihnachten nach Frieden, nach Frieden in unseren Familien, aber auch nach Frieden in der Welt. Doch wenn wir den Frieden nicht in uns spüren, dann bemühen wir uns umsonst um den Frieden in unserer Umwelt. Es geht an Weihnachten nicht darum, über den Frieden zu reden, sondern den Frieden in sich zu erfahren, um ihn dann von innen her weiter zu geben an die Menschen, mit denen wir zusammenleben. Um den Frieden in uns zu erfahren, braucht es die Stille und die Bereitschaft, all das, was in uns auftaucht, immer wieder von neuem Gott hinzuhalten und Gott zu übergeben.

Tauler deutet in diesem Sinn das Wort aus dem Propheten Jesaja: „Steh auf und werde Licht, Jerusalem!“ Wir sollen aufstehen aus all dem, was uns bedrängt und ständig beschäftigt, damit das Licht, das in Jesu Geburt aufgestrahlt ist, auch unser Herz und unseren Seelengrund erleuchtet. Meister Eckehart sagt von diesem Licht: „In dieser Geburt ergießt sich Gott mit Licht derart in die Seele, dass das Licht im Sein und im Grunde der Seele so reich wird, dass es herausdringt und überfließt in die Kräfte und auch in den äußeren Menschen.“ Darin besteht unsere tiefste Sehnsucht an Weihnachten, dass dieses Licht, die Liebe und der Friede unsere Seele so verwandelt, dass sie auch nach außen hin dringt und unser Umfeld mit Licht, Liebe und Friede erfüllt.

Was die Mystiker des Mittelalters in einer uns manchmal fremden Sprache beschrieben haben, das hat für  C.G. Jung auch eine therapeutische Bedeutung. Für Jung besteht die Gottesgeburt darin, dass wir frei werden vom Ego und zu unserem Selbst zu gelangen. Zum Selbst gelangen wir nur, wenn das Gottesbild sich unserem Innersten einprägt. Jung spricht vom inneren Gott oder vom Gott in uns. Dabei tritt das Selbst nicht an die Stelle Gottes, „sondern ist vielleicht ein Gefäß für die göttliche Gnade“. Für Jung gehört das Gottesbild wesentlich zur Selbstwerdung. Es ermöglicht uns „eine Heilung der neurotischen Erkrankungen“. So ist Weihnachten für Jung ein therapeutisches Fest. Weihnachten als Fest der Mystik ist also nichts Weltfremdes. Es möchte vielmehr unsere tiefste Sehnsucht nach Licht, Friede und Liebe berühren und die Wunden heilen, die wir in unserer Lebensgeschichte immer wieder erleiden.

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest, ein Fest, an dem Sie in sich selbst das göttliche Licht erfahren, das alles in Ihnen erleuchtet und zu heilen vermag. Und ich wünsche Ihnen ein Fest, an dem von Ihrem Inneren der Friede ausströmt auf alle Menschen, denen Sie in diesen Tagen begegnen werden.

Für das Neue Jahr wünsche ich Ihnen Gottes Segen und den Engel der Hoffnung als guten Begleiter. Wenn der Engel der Hoffnung Sie begleitet, dann bleiben Sie angesichts unserer Weltsituation – Klimawandel, Kriege, Polarisierung und Fake News – nicht in Ihrer Ohnmacht stecken. Die Hoffnung bewegt Sie dazu, das anzupacken, was in Ihrer Macht steht, und dadurch diese Welt menschlicher zu gestalten.

Ihr P. Anselm Grün